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Achtung Baumeister!

Arbeitspapier zur Erhaltung des Baumeister-Viertel (BM/4) auf dem Ölrain in Bregenz

 

Achtung Baumeister! ist hier nicht als Warnung vor einem vielleicht allzu geschäftstüchtigen Berufstand zu sehen, vielmehr als Hinweis auf eine nahezu unbekannte Größe der Bregenzer Architekturgeschichte, die durch ihr Wirken das heutige Erscheinungsbild der Landeshauptstadt wesentlich mitgeprägt hat.

 

Georg Baumeister

Georg Baumeister (1852 – 1927) gehört zu den wichtigsten Architekten der Jahrhundert-wende (19./20. Jhdt.) in Vorarlberg. Mit seinen Bauten steht er an der Schwelle von einer bayrisch geprägten Regionalromantik zum Jugendstil. Für Bregenz war er neben seinen jüngeren Kollegen Otto Mallaun (Löwenapotheke, Rathausstr.) und Hanns Kornberger (ehem. Bäckerei Vochazer, Maurachgasse) der Garant für exquisite Bauwerke, die den höchsten Ansprüchen genügten.

Hier eine Auswahl seiner hinterlassenen Werke in Bregenz:

  • als prominentestes noch existierendes Beispiel: die Fassade des Bregenzer Rathauses mit dem markanten Turmaufsatz, die dem schlichten Zweckbau ein repräsentatives Äußeres verpasst,

  • der markante Backsteinbau in der Maurachgasse 16,

  • der Joseftstrakt als klösterliche Erweiterung des Palais Raczynski/Marienberg

  • und vermutlich noch einige andere das Erscheinungsbild der Stadt bis heute bereichernde Gebäude, bei denen sich die Urheberschaft Baumeisters derzeit nur vermuten lässt.

Eines seiner Hauptwerke, das ehemalige Vorarlberger Landesmuseum in seiner ursprünglichen Form, ist mittlerweile selbst Geschichte geworden, allerdings geht die großzügige Ausgestaltung des Kornmarktplatzes in seiner heutigen Ausformung ebenfalls auf die Initiative Baumeisters zurück.

Angesichts eines beachtlichen Werks ist es erstaunlich, dass es im Gegensatz zu seinen Kollegen Mallaun, Kornberger oder Willibald Braun bis heute keinen Wikipedia-Eintrag zu Georg Baumeister gibt. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass selbst geprüften Bregenzer FremdenführerInnen der Name Baumeister meist unbekannt ist.

Die wichtigsten derzeit zur Verfügung stehenden Quellen sind die beiden Standardwerke:

  • Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band 1,  1983

  • Dehio – Handbuch Vorarlberg. Topographisches Denkmälerinventar, herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, 1983

 

Das Baumeister-Viertel  (BM/4) am Ölrain

Eine Sonderstellung im Werk Baumeisters nimmt das Villenviertel im Bereich Wolfeggstraße/Blumenstraße am Bregenzer Ölrain ein. Hier enstand von 1892 bis 1906 ein bemerkenswertes Ensemble von sechs benachbarten Häusern, in denen sich Baumeisters virtuoser Umgang mit den verschiedensten Architekturelementen vom Historismus bis zum Jugendstil auf engstem Raum nachvollziehen lässt. Dabei sind durchwegs unverwechsel-bare, originäre Bauten entstanden. Gekennzeichnet ist das Viertel zur Stadt hin durch die teils weithin sichtbaren, markanten Bauten an der Hangkante der Ölrainterrasse (Wolfeggstraße 15, Blumenstraße 1) und entlang der Blumenstraße durch eine sehr einheitliche, in sich harmonisch wirkende Abfolge der Häuser Blumenstraße 1, 3 und 5, hinter einer einheitlichen, den Straßenraum prägenden Einfriedung in ihren parkähnlichen Gärten gelegen, sowie dem zugehörigen Gegenüber an der Ecke Ölrainstraße/Blumenstraße (Nr. 2).

Eine Ansicht von Bregenz aus dem Jahr 1903 zeigt, dass es sich bei den damals schon bestehenden Baumeister-Villen um Initialbauwerke für das Villenviertel auf dem Ölrain wie auch für die gesamte Besied­lung der ehemaligen Plattenwiese bis zum „Dorf“ hin handelt. Damit ist das BM/4 das älteste und auch wohl das am aufwändigsten gestaltete Ensemble dieses Stadteils.

Innerhalb dieses Ensembles steht derzeit bereits die ehemalige Villa Klaubert (Blumenstr. 1) unter Denkmalschutz, die Villa Fünfland (Wolfeggstr.15) wurde vom Amt  der Vorarlberger Landesregierung als „besonders erhaltenswert“ eingestuft.

Hinzuweisen ist außerdem  

  • auf die teilweise noch vorhandenen Innenraumgestaltungen (Täfelungen, Wandeinbauten, Malereien etc.) von außergewöhnlicher handwerklicher Ausführung und Gestaltung,

  • darauf, dass von einzelnen Gebäuden auch die Originalpläne Baumeisters existieren, die ebenfalls seine beeindruckende Könnerschaft als Architekt und Zeichner belegen,

und ganz nebenbei auch darauf, dass innerhalb dieses Ensembles (in Wolfeggstraße 13) eines der hochrangigen Kulturgüter Vorarlbergs unbeschadet zwei Weltkriege überstanden hat: die sogenannte „Lukas-Tschofen-Stube“ aus dem 17. Jhdt., die jetzt wieder an ihren Entstehungsort zurückgekehrt ist und im Gemeindeamt Gaschurn für feierliche Anlässe genutzt werden kann.

 

Heutiger Bestand des BM/4  geordnet nach Entstehungszeit:

  • Villa Fünfland, Wolfeggstraße 13 und 15, erbaut 1892 -1895,  Wohnstätte Georg Baumeisters (Beschreibung s. Dehio S. 115)

  • Villa Freudeck (Bauherr: Karl Höll), Blumenstraße 3, erbaut ca. 1894 – 1896, (Beschreibung s. Dehio S. 91)

  • Villa Wolfegg (Bauherr: Gustav Klaubert), Blumenstraße 1, erbaut 1905, (Beschreibung s. Dehio S. 91, Achleitner S. 420)

  • Villa Säntis (Bauherr: Gustav Wolfrum), Blumenstraße 2, erbaut 1906, (Beschreibung s. Dehio S. 91)

  • ehem. Evangelisches Pfarrhaus (heute Methodistenkirche), Blumenstraße 5, ebenfalls von Georg Baumeister, Errichtungsjahr 1903, (Beschreibung s. Dehio S. 91)

Spätere, das Ensemble ergänzende Bauwerke auf den Areal der Baumeister-Villen:

  • Villa Feuerstein, Blumenstraße 7, erbaut 1929 von Wilhelm Fleisch (s. Achleitner S. 420)

  • sowie der elegante Bungalow Wolfeggstraße 17 aus den 1960er Jahren von Richard Bechtold,

beides ebenfalls Bauwerke von bemerkenswerter gestalterischer Qualität.

Damit ist das bestehende Ensemble in seiner heutigen Form umrissen. Klar auch, dass in der 120 jährigen Bau- und Nutzungsgeschichte nicht jedes ursprüngliche Detail überlebt hat und dass es zu einigen Umbauten und Ergänzungen gekommen ist, die Bausubstanz als solche ist aber immer noch weitgehend intakt und das überkommene Erscheinungsbild fast vollständig erhalten. Dies gilt auch für die Villa Freudeck (Höll), Blumenstraße 3, deren Weiterbestand derzeit akut gefährdet ist.

Aktuelle Situation Blumenstraße 3

Der markante 2-geschoßige Bau mit dem Zwiebelturm an der Ecke, als Wohnsitz des Fabrikanten Karl Höll (1859-1931) ca. 1896 errichtet, ist das zweitälteste Gebäude des BM/4.  Es ist nach wie vor in gutem Zustand, auch äußerlich zu sehen die vielen Original-Ausbauteile (Fenster und Läden im 1. Stock und in der Giebelzone). Gartenseitig besteht seit 1940 ein Zubau von Otto Mallaun, der um 1990 von Walter Holzmüller neu adaptiert wurde. Es liegt in seiner jetztigen Form sehr harmonisch in der Mitte der Häuserzeile an der Blumenstraße. Demgegenüber wirkt der Satz aus der Verkaufsabteilung des Bauträgers, der hier den Abbruch und die Errichtung eines 4-geschossigen Klinkerbaus vorantreibt, wie eine glatte Verhöhnung: „Die Wohnanlage "Blumenstrasse" fügt sich perfekt in ihre Umgebung ein.“

An dieser Stelle kann nur versucht werden, ein Bewusstsein aufzubauen, wie ahnungslos hier baukulturelles Erbe zerstört und ein weitgehend intaktes städtebauliches Ensemble irreparabel aufgesprengt werden soll. Und auch dafür, dass im konkreten Fall nach verträglicheren Lösungen zu suchen sein wird. 

Die Denkmalbehörde

Das Bundesdenkmal hat bereits 2014 eine Unterschutzstellung der Villa Freudeck abgelehnt – wohl in Unkenntnis darüber, dass der Architekt der Villa Georg Baumeister war und sie in einem präzisen architektonischen und kulturhistorischen Kontext mit den umgebenden Villen steht. Bei dieser Haltung ist die Behörde bis heute geblieben. Auch ein möglicher Ensembleschutz des gesamten Baumeisterviertels wurde nicht weiter verfolgt. Spät aber doch wurde zumindest festgestellt, dass die Villen in der Blumenstraße ein durchaus erhaltenswertes Ortsbild repräsentieren, und somit der Ball an die Stadt Bregenz zurückgespielt.

Im Vergleich dazu ein Blick über die Gemeindegrenze nach Lauterach: dort wurde das Verwaltungsgebäude der Tubenfabrik Höll in der Karl-Höll-Straße erhalten und in einen weitgehend ursprünglichen Zustand rückgeführt – vermutlich auf Initiative der Gemeinde im Sinne des Ortsbildschutzes. Dabei handelt es sich um einen vergleichsweise schlichten Zweckbau, ebenfalls um die Jahrhundertwende errichtet, der nach Abriss der umliegenden Betriebsgebäude heute völlig isoliert inmitten neu errichteter Wohnanlagen steht. Er wurde offensichtlich als ‚Erinnerungsmarke‘ für die Nachwelt erhalten.

Vor diesem Hintergrund ist es doch erstaunlich, dass das Wohngebäude des Fabrikanten Höll, das Teil eines ganzen Ensembles von Georg-Baumeister-Villen ist, als nicht weiter erhaltenswert gewertet wird. Vorgangsweise und Kriterien für solche Entscheidungen erscheinen beliebig und hinterfragenswert.

 

Aktivitäten der Kulturstadt Bregenz

Seit dem Jahr 2001 gibt es ein sehr ambitioniertes „Räumliches Entwicklungskonzept“ (REK 2001/2008) für die Landeshauptstadt, das auch in dieser Form von der Stadtvertretung beschlossen wurde.

Für den Bereich des Baumesiterviertels finden sich darin folgende Festlegungen:

Für die Erhaltung eines identitätsstiftenden Stadtbilds sind am Ölrain „die Villen und die sie umgebenden Gartenanlagen durch Parkschutz und die Erstellung von Bebauungsplänen zu schützen.“ Es wird der Beitrag der „großflächigen alten Villengärten und Parks am Ölrain mit mächtigem, ökologisch wertvollem Baumbestand“ zum grünen Erscheinungsbild der Stadt hervorgehoben. Städtebauliche Dominanten und Merkzeichen (dazu zählen gleich zwei Gebäude des Baumeisterviertels, Villa Fünfland und Villa Wolfegg) sind vor baulichen Entwicklungen im Umfeld zu schützen, „die den Charakter bzw. die Dominanz des Objektes negativ beeinflussen könnten.“

Soweit die ambitionierten Vorgaben. Davon ist allerdings in der Praxis wenig zu spüren. Bei allem Verständis für die Schwierigkeiten und die offensichtlich mangelnden Ressourcen der Bauverwaltung, nachvollziehbare Bebauungspläne zu erstellen, werden meist keine Maßnahmen gesetzt, für schützenswerte Bereiche den Verwertungsdruck durch die Bauträger herabzusetzen – z. B. durch klare Begrenzung der Geschoßanzahl, Herabsetzung der baulichen Dichte, Ausweisen von Schutzzonen etc.. Unter dem Standardargument, der Kreativität der planenden Architekten keine einengenden Vorgaben machen zu wollen, wird auf nachvollziehbare Vorgaben meist generell verzichtet. Dass dadurch der Eindruck von maximaler Intransparenz entsteht, wird nicht mal zur Kenntnis genommen.

Eine Stadt wie Bregenz, die die Kultur in Form der Festspiele und vieler anderer Aktivitäten zu einem wesentlichen Schwerpunkt gemacht hat und damit auch über ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein verfügt, wäre gut beraten, ihr kulturelles Erbe in seiner Gesamtheit zu pflegen, auch das seiner überlieferten Baukultur. Durch die Zerstörungen des 2. Weltkriegs wie auch durch die massiven Interventionen der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts ist in Bregenz über weite Strecken ein sehr heterogenes Stadtbild entstanden, das nur eingeschränkt als gelungen oder spannend bezeichnet werden kann. Den „Stadtraum mit historisch und kulturell interessanten Ensembles“ (REK S. 48) zu schützen und in ihrem Erscheinungsbild zu bewahren, ist da mehr als naheliegend  –  gerade wenn man sich mit dem Gedanken trägt, sich als europäische Kulturhauptstadt zu bewerben.

 

 

Robert Dünser                                             Bregenz, September / Oktober 2016

 

Karl Höll und Georg Baumeister vor den Villen  in der Blumenstraße, ca. 1905        

v.l.n.r. die Häuser Blumenstr. 1, 3 und 5, im Hintergrund das Haus Wolfeggstr. 15, die beiden behüteten Herren stehen selbst auf dem in Angriff genommen Bauplatz für Haus Blumenstr. 2

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